Donnerstag, 27. Juni 2024

Der Pädofaschist

(Es klingelt.)
(Es hat geklingelt.)
„So, sind alle wieder an ihrem Platz? Ja? Gut. Also, wo waren wir vorhin stehengeblieben?“
„Sexualkunde mit Bettwanzen.“
(Einzelne lachen.)
„Richtig, da setzen wir auch wieder an. Wusstet ihr, dass durch eine Desinformationskampagne die russische Regierung Millionen von Bettwanzen nach Paris verordnete? Und wenn ja, wie kamen sie wohl dahin?“
„Na sicher durch Ukrainer, Flüchtlinge.“
(Mehrstimmiges Murren nicht nur von dem einzigen Deutschrussen in der Klasse.)
„Genau. Desinformationskampagne nennt man das. Fakenews.“
„Döp döp döp.“ (Singt irgendwo einer in seine hohle Hand, da aber mehrere zeitgleich Gähnen, ist nicht auszumachen, aus welcher Richtung das kommt.)
„Genau, Gigi. Wer sagt uns, dass die Bettwanzen überhaupt in Paris zuhauf ihr Unwesen treiben? Wer sagt uns, dass die Sylter Wohlstandsverwesten nicht vom Staatsschutz sind und dort nur performt haben, um von irgendwas abzulenken? Wer sagt uns, dass der Pegida- Bachmann kein Verfassungsschutzmitarbeiter ist, der vor Beginn seiner Verbrecherkarriere von den Vorgesetzten den Auftrag bekam, erstmal kleinkriminell in Diebstähle verwickelt zu sein, kein Kindergeld zu zahlen und Hundewelpen zu ersäufen, um sich später unauffällig zwischen und vor Wuthanseln etablieren zu können? Weil so ohne Dreck am Stecken, wäre doch unheimlich, oder?“
„Bernd- Kevin hatte letztens auch Dreck am Stecken, als er die Maria in den…“
„Hör auf mit dem Scheiß!“, wimmert Bernd- Kevin.
„Wann und wie schön war es? Kogda oder Kackda?“, grinst der Russe in seinen überschaubaren Flaum.
(Lehrer ignoriert wiederholt Sachen, die kollektivintern bleiben sollen.)
„Wer sagt, dass Aktivist Bachmann vor dem Systemwechsel nicht bei der Stasi war und ist es überhaupt noch gewagt zu behaupten, dass seine schwindende Mitläuferzahl inzwischen von Leuten des Ministeriums für Antifaschismus aufgefüllt wird?“
„Antifaministerium, gibt es das überhaupt?“, quäkt eine Stimmbruchstimme von hinten.
„Sehr gute Frage. Jetzt sind wir von den Bettwanzen endgültig bei Wahrheiten und Zweifeln angekommen. Und was geht immer damit einher? Natürlich Verschwörung, Spaltung, Hass und Hetze. Oft nur im Netz, neuerdings aber auch auf der Straße.“
„Du dreckiges Schwein, du Vollidiot, du bist doch für Spaltung, Hass und Hetze, oder?“, nuschelt irgendeiner in den Raum.
„Genauso etwas muss man sich anhören, von anonymen Personen mit Hunde- und Pferdeprofilbildchen im Internet. Pädofaschist hat mich neulich mal einer genannt und linksextremistischer Grüner. Dabei glaube ich, dass solche eher nicht einer kommunalen Weltverschwörung anhängen. Aber, dass sie ein Aggressionsproblem haben. Gegen sich selbst.“
„Woher wollen sie das wissen?“, fragt eine Nymphe im bauchfreien Walhalla- Top.
„Wissen kann ich es nicht, aber vermuten. Denn immerhin wissen die Provokateure keine Antworten auf Gegenprovokationen, die da sein könnten: ‚Wer sagt eigentlich, dass der rechte Influenzer, den du zitierst, kein Büttel der linksextremen Regierung ist, die du verfälscht zitierst, weil sie dein Influenzer falsch zitiert?‘ Genauso wenig wie sie die Frage beantworten können, ob die gepredigte rechtsextreme Utopie nicht doch zu einer Dystopie wird, wenn man sie aus anderen Blickwinkeln als von rechts außen betrachtet.“
„Und auf der Straße? Da fachsimpelt man doch nicht, oder?“
„Nein, natürlich nicht. Da kann ich euch das Beispiel eines Bekannten erzählen. Der entfernte rassistische und diskriminierende Sticker in einer Kleinstadt. Und meldete Schmierereien auf Wunsch des Ordnungsamtes der Stadt, weil dieses keine Zeit hat, sich in der Stadt umzusehen und um die Stadt zu kümmern. Da waren auch Hakenkreuze dabei und Sprüche aus der Effektenkammer des Vogelschisszeitraumes. Irgendwann haben irgendwelche Nasen dann an die Bahnhofsmauer ein ‚Max Mustermann, du Hurensohn‘ gepinselt, nachdem sie vorher als Einzelpersonen der gesuchten Bürgernähe des Herrn Mustermann eher ablehnend gegenüberstanden.“
„Wie alt ist denn der Hurensohnopa?“, erkundigt sich der junge Mann ohne Migrationshintergrund aus Reihe zwei.
„Der Hurensohnopa könnte zweifellos der Großvater des Schmierfinken sein. Der Hurensohnopa hätte früher eine Backpfeife bekommen und wäre von der Schule geflogen, wenn er irgendwo im Ort ‚Herr Knorn/Frau Knorn ist ein/e Hurensohn/Hurentochter‘ an eine Wand geschmiert hätte, denn die Knorns waren rechtschaffene Staatsbürgerkunde- und Chemielehrer und somit Experten für richtige Reaktionen, während heute…naja, ich will nicht über alten Zeiten emotional…, jedenfalls…heute wird man mit Ideen konfrontiert, die damals noch nicht mal vor der Tür des Raumes standen, in dem sie heute stehen. Neulich sagte mal so ein Verschwörungsanhängiger zu mir: ‚Wir leben nicht nur in einer binären Welt, wir sind binär. Es gibt nur noch Einsen und Nullen und wenn nicht, dann wird so lange gefiltert, bis es nur noch zwei Varianten gibt.‘ Was wahrscheinlich implizieren soll…“
(Es klingelt. Stühle werden gerückt.)
„Was wahrscheinlich bedeuten soll, dass die Welt nicht mehr multiplural, vielfältig und divers ist, dass man nur noch links oder rechts oder oben oder unten zu Auswahl hat…als Seite, auf die man sich schlagen kann. Wie seht ihr das, denkt mal drüber nach…und wenn ihr Wände beschmiert, immer auf die Rechtschreibung achten, auch wenn es nur drei Wörter sind, sonst landet die Botschaft in der Spottzone…und das Pausenklingeln…könnte auch nur eine Täuschung sein…und nicht real…hinterfragt das doch mal…ihr…ach lassen wir das…“
Der Lehrer setzt sich im längst leeren Klassenzimmer auf einen Tisch und schnauft durch.
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