Samstag, 30. Oktober 2021

Die faksimilische Weltkonserve

Nachdem ich heute mein Tagwerk vollbracht hatte, also Sklaven raus aus den Gläsern, schweigen, Sklaven rein in die Gläser, wusste ich nicht so Recht, was noch zu tun sei.
Also promenierte ich über mein Anwesen, warf ein paar faule Äpfel über den Zaun, ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen und fischte paar runter gefallene Äste aus dem benachbarten Bach, damit sich dort nichts staut und mir irgendwann die Brühe regalhoch im Keller steht.
Wobei mir der Gedanke an eine Flut gar nicht so unangenehm ist.
Vielleicht wäre ich dann die Ochserei mit den Sklaven los. 
Ich sitze also oben und unten toben sie in Todesangst herum.
Ist fast wie Musik in meinen Ohren, nur wenn es denen an den Kragen geht, dann auch mir.
Vormals hatte ich ja auch Nachbarn und deren Häuser wurden alle abgerissen, weil ihre Keller überflutet gewesen waren und selbst die Steinfußböden hoch kamen.
Und wer nur festgestampfte Erde im Keller hatte, den hatte es aufs Übelste angeschissen.
Im Nu war ich von Häusern umgeben, die in der Landschaft rumschlingerten, wie entvölkerte Wracks auf hoher See.

Nachts barsten dann Dächer und einzelne Giebel und es hat gescheppert, dass ich kaum schlafen konnte. Da waren aber die Mieter und Untermieter längst über alle Berge. Als dann alles ruhig war und sich von selbst geordnet hatte, ging ich an den Strand und fischte mir die besten Hölzer an Land. Und ein bissel Zeug, was man kurzfristig meint brauchen zu können und was dann langfristig in einer Ecke meines Grundstückes unter wilden Pflanzen verschwindet.
Sind so meine privaten Korallenriffe hier.
Zumindest nenne ich sie immer liebevoll so.
Jetzt, wo es bald Winter wird, fange ich schon an mich an diese skelettierten Mahnungen zu erinnern, die bald über und unter Schnee nach mir rufen. Aber wenn das Gezeter von draußen und von unten zu laut wird, werfe ich sowieso den Dieselgenerator an und sehe, was die Mattscheibe hergibt.
Meine privat konservierte Kommunikation.
Das Tor ins Nichts.
Wenigstens ist der Aquarellfernseher zutraulicher geworden und bringt jetzt kontrollierte Farben, die im Einklang mit den Bildern stehen, die man mir vorgaukeln will. Nur rechts oben ist noch so eine annektierte Stelle, die meist rot verfälscht und wenn mal rechts oben am Bildrand ein Sonnenuntergang zu sehen ist, dann wird das Territorium blau. Wie das aber ausgehen würde, wenn bis zum Sonnenuntergangshorizont Meer wäre, weiß ich nicht.
Ich vermute, dass da irgendwer schnell paar Wolken ins Bild schiebt, oder die Sonne fix wegradiert, um meine faksimilische Weltkonserve nicht ins Wanken zu bringen.
So, jetzt nehme ich einen Krug Wasser und etwas Tabak und krieche hoch in meinen Unterschlupf.
Der Mond nimmt ab und ich schau zu.

 (aus „Gorgonskis Dachbodengeschichten“, 2011)

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