Mittwoch, 19. April 2023

Personenschubladen und Bewusstseinsströme

Nach sage und schreibe vierzehn Monaten habe ich die USA- Trilogie von dos Passos durchgeackert.
Die USA- Trilogie ist die Vereinigung von drei Romanen auf 1596 Seiten und dann noch mal 50 Seiten Anmerkungen, also vorher im Dreiteiler mit Nummern gekennzeichnete Begriffe und Namen, die man zur näheren Erläuterung im Anmerkungsteil nachschlagen kann.
Allerdings sind auch bei den Anmerkungen im Anmerkungsteil Hinweise auf ebensolche vorangegangene Anmerkungen im Anmerkungsteil.
Das sieht dann so aus: /533/ IWW: s./27/.
Und bedeutet: die Nummer 533 (wird im Buch auf Seite 1577 an das Kürzel IWW gepappt) verweist auf die Nummer 27 in den Anmerkungen, wo IWW schon vorher näher erklärt wurde.
Wichtig ist sowas für Leute, die vergesslich sind und/aber keine Lektoren anschreiben, weil sie sich im Namenssumpf nicht mehr zurechtfinden (*Grinssmilie*).
Abnutzung/Verbrauch: Durch das Hin- und Zurückblättern, das hierhin- und dorthin verlegen, das Umlagern undsoweiterundsofort hat der Leseziegel mit Taschenbucheinband optisch ziemlich gelitten.
Um nicht komplett den Überblick zu verlieren, habe ich wieder mit Namensorganigrammen gearbeitet und ganz am Anfang auch die Erzähltechnik untersucht und etwas hinter abgebrochenen Sätzen, verstümmelten Überschriften und angefangenen Gedanken vermutet.
Scheinbar zu Unrecht.
Es soll ja Kritiker geben, die meinen, dass man das Buch auf mehrere Weisen lesen kann.
Warum?:
Irgendwo wird eine Personenschublade aufgemacht.
Dann ist plötzlich das Kapitel aus.
Es folgen verkappte Wikipediaeinträge und Biografien zu Größen des frühen 20.Jahrhunderts, denen sich Liedtextfetzen, halbe Headlines aus Zeitungen, Kriegsnews, Gossip, etc. pp. anschließen.
Danach kommt eine Art Bewusstseinsstrom (Auge der Kamera), der sich aus Splittern und Bruchstücken zusammensetzt und aus dem Leben des Autors (dos Passos) stammt.
Darauf folgt die nächste Personenepisode, dann ist das Kapitel aus.
Anschließend kommt wieder all das, was ich gerade aufzählte und wenn man Glück hat, wird die gerade erzählte Personenepisode fortgesetzt oder zumindest die von vorvorhin.
Und da kommen die Kritiker ins Spiel, die das Buch nach Personen und nicht der Reihe nach gelesen haben.
Okay, habe ich nicht so gemacht.
IWW ist übrigens eine Gewerkschaft (Industrial Workers oft he World) und die USA-Trilogie ein Machwerk, das den Kampf dieser und anderer (gern als Kommunisten verschriener) Gewerkschaften und Komitees rund um den ersten Weltkrieg und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise skizziert- anhand von persönlichen Schicksalen, von Gewinnern und Verlierern, von Streikenden und Streikgegnern, von Hungernden und Satten.
Imposant im Umfang und ja, ich würde sogar so weit gehen zu behaupten: ein Meisterwerk für Liebhaber der Wirtschaftsentwicklungsgeschichte inklusive Börsenkram der Vereinigten Staaten und ein Meisterwerk für Liebhaber von Babylon Berlin (auf Amerikanisch).

1 Kommentar:

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