Sonntag, 4. Februar 2024

Die marmorierte Bettwanze

„Hallo!?! Es hat geklingelt! Oder seid ihr taub!? He, du da hinten…“
(Lehrer winkt erst ab und murmelt dann in sich hinein: Hauptschule halt, reg‘ dich bloß nicht auf.)
„So, sind wir langsam alle an unseren Plätzen angekommen, und können wir jetzt mit der Unterrichtsstunde beginnen? Okay. Das letzte Mal haben wir uns in Biologie noch mal auf Grundschulniveau bewegt und uns mit Insekten, wie zum Beispiel den Totengräber, befasst. Der Totenkäfer macht was genau, beziehungsweise gilt als was, Bernd- Kevin?“
„Ist der nicht im Wald? Also der Aufräumkäfer im Wald dürfte das sein, oder?“
„Ganz genau. Fein.“
(Streber, Streber!- Gemurmel wabert durch den Raum.)
„Und weil ihr scheinbar so gut aufgepasst habt, machen wir heute mit der marmorierten Bettwanze weiter. Die ist auch ein spannendes Insekt.“
(Wann wiederholen wir Sexualkunde?, ruft irgendwer aus dem Irgendwo.)
„Schon alles vergessen?“
(Die Klasse johlt, einer wird rot.)
„Also: die marmorierte Bettwanze versprüht, wenn sie sich bedroht fühlt, ein unangenehm riechendes Sekret. Deshalb wird sie auch Stinkkäfer oder Stinkwanze genannt.“
(Der Sören!, ruft einer und die halbe Klasse dreht sich lachend um und guckt in die letzte Bankreihe links, wo ein pickliger Typ mit fettigen Haaren immer mehr schrumpft.)
„Die Bettwanze ist allerdings, also ihr Sekret, weder giftig noch gefährlich. Sie ist außerdem nicht wählerisch und hat über 200 Wirtspflanzen auf ihrem Speisezettel stehen, was für die Landwirtschaft eine Herausforderung darstellt, zumal sie ausgesprochen mobil ist und sich fleißig vermehrt. Demzufolge kann man sie durchaus als invasive Art bezeichnen.“
„Wie kam sie denn zu uns, Herr Lehrer?“
(Ooorrrr, Bernd., stöhnt es mehrstimmig.)
„Eine gute Frage, Bernd- Kevin. Ursprünglich stammt sie wohl aus Ostasien und es wird gemutmaßt, dass sie irgendwann nach der Jahrtausendwende in Transportkisten voller Dachziegel aus China in die Schweiz einreiste und sich von dort faktisch in ganz Europa bis rüber nach Amerika ausbreitete. Bei uns im Land sind sie eher im warmen Südwesten, nördlich von Köln und rund um Berlin angesiedelt.“
(Da bin ich aber froh…, raunt es irgendwo.)
„Aber wer denkt, dass wir hier in Sachsen noch nicht befallen sind, irrt sich. Im Raum Leipzig haben sich inzwischen ganze Armeen der niedlichen kleinen Tierchen niedergelassen.“
(Jagt sie doch alle nach Connewitz rein und dann eine große Mauer drum. Dort stinkt es sowieso., grölt ein akkurat frisierter Typ, der trotz der Wärme im Raum eine dicke Northface- Jacke und eine Strickmütze in Reichsfarben trägt.)
„Ach, der feine Herr von Schülersprecherinfo ist auch da? Eigentlich merkt man das nur an den Jugend ohne Migrationshintergrund- Stickern auf der Schultoilette, wo es zugegebenermaßen auch nicht so richtig duftet. Um nicht sagen zu müssen, dass es dort stinkt.“
(Vereinzelt zustimmendes Gelächter.)
„Natürlich gibt es, um zum Thema zurückzukommen, auch eine Art Gegengift zur Bettwanze. Die Samuraiwespe bekämpft sie als ihren Feind, Fressfeind besser ausgedrückt. Aber die Forschungen dazu stecken noch in den Kinderschuhen, weswegen ich nicht näher darauf eingehen kann.“
(Ooorrr, schade., summt irgendwer künstlich enttäuscht.)
„Jedenfalls lebt die Wanze in Gärten, Parks und beim Bauern von Obst und Gemüse. Wie ein Vampir sticht sie in die Früchte und saugt…“
(Mehrere Blicke gehen verschämt nach unten oder in Richtung einer überreifen Blondine, die dafür sorgt, dass ihre zunehmende Gesichtsfärbung von eilig nach vorn gestrichenen Haaren verborgen wird.)
„…dann gelangt ein Enzym in das Pflanzengewebe und beschert der Frucht Deformationen, unansehnliche Flecken und harte Stellen, so dass sie der Bauer nicht mehr verkaufen kann. Zum Beispiel wachsen Gurken an der Einstichstelle…“
(Zunehmendes Gelächter.)
„…oder nehmen wir Peperoni und Tomaten, da wird das Gewebe an der Oberfläche weißlich und schwammig…“
(Gelächterhöhepunkt.)
„So, ich denke, ihr braucht jetzt erst mal dringend die Hofpause. Und nun raus mit euch! Der junge Herr ohne Migrationshintergrund entfernt bitte noch das Gekritzel von seiner Bank. Danke.“


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