Samstag, 22. August 2020

Manuelas Manuskripte IV

Anstatt mich hier mit dem Grübeln über einen Buchinhalt, der Vermarktung des noch nicht geschriebenen Buches und dem Kopfzerbrechen über Wehen, Nichtwehen und dem Rumoren in Wohnungen über und unter mir auseinanderzusetzen und das noch auf Papier zu tratschen, sollte ich mich tunlichst besser um mich selbst kümmern. 

Obschon ich inzwischen EINEN Grübelzwang ad acta legen kann.

Der angehende Wildfang ist BESTÄTIGT da, ist weiblich, schreit, wie es sich gehört und wird sicher auch ein freches Frätzchen haben und keineswegs mit Permanentmakeup geboren worden sein.

Ob sie mehr nach Mama oder Papa kommt, wird man sehen, wenn sie aufrecht gehen kann und sich ihre Gesichtszüge entfaltet haben.

Übrigens weiß ich nun auch, dass der nicht öffentlich rappende Vater nicht wegen seiner Plusterhosen und auch nicht wegen übermäßiger Kraft so schwankend läuft sondern wegen einer Prothese, die ich aber noch nicht begutachten konnte und auch künftig schwerlich zu Gesicht bekommen dürfte, denn es scheint mir nahezu ausgeschlossen, dass er sommers in kurzen Hosen seine drei Plattenbaurunden am Tag dreht.

Vorbei am 80jährigen Cowboyhutträger, der immer noch Wochen nach Fußballgroßmeisterschaften seine beiden Deutschlandfähnchen am alten rostigen Citroen spazieren fährt.

Aus- und Einparken mit einem Lärmpegel Marke „Düsenjet“.

Immer drauf mit dem Stiefel aufs Gas, erster Gang Anschlag, zweiter Gang Anschlag und dann fix wieder runterschalten!

ICH sollte mich also um MICH selbst kümmern, wenn es rundum so spannende Dinge zu sehen gibt und das selbst nach der Beerdigung der „Nein-zum-Heim“-Demos in der Stadt?!

Und zumal auf den Nachrichtenkanälen doch derzeit auch nichts Spannendes kommt?!

Beispiele: Erdogan bezeichnet halb Europa als Nazistaaten, Merkel war derweil beim Trump, der erst Putin mochte und nun nicht mehr, Putin und Erdogan hätten fast einen Krieg gegeneinander ausgelöst, fanden sich anschließend plötzlich doch noch gut und nun aber wieder nicht mehr so prickelnd und wenn dann der Modeteil kommt und der schneidige und topgestylte Geschäftemanager aus dem KaDeWe anfängt, über Accessoirequadranten im Kaufhaus zu sabbeln,...da verschwinde ich doch lieber Richtung Balkon oder hänge mein Ohr ins Treppenhaus.

ICH sollte mich also um MICH selbst kümmern und kriege es nicht hin- ist das nicht ein wahrhaftiger Fingerzeig, dass ich doch zur Schriftstellerei geboren bin?

Oder ist das um-mich-selbst-kümmern nicht die Schreiberei selbst?

So, nun aber: die Babyschreie kommen nur von CD und der Frischling ist in Wirklichkeit eine Puppe, die in der Öffentlichkeit zur Vertuschung einer geheimen Sache rumgefahren wird.

Die Blastozyste wurde der Polin vom russischen Großmütterchen mit den langen Armen und langen Fingern pränatal entfernt und in den Uterus der Rita eingepflanzt, die dann irgendetwas zur Welt brachte (unter mehr als nur Röcheln), was man sich gar nicht vorzustellen vermag.

Ein Zellkörper in Säuglingsgröße, welcher sich in den Stunden nach der Geburt mehrfach aufspaltete und eine Kolonie bildete, die durch alle Ritzen kroch, eine Schleimspur nach sich zog, dabei anwachsend durch den Hausaufgang glibberte und Fahrstuhltechniker und Hausmeister verschluckte, sich anschließend auf die Straße ergoss und nach weiterer Beutenahrung suchte, bis ausgerechnet in dem Moment der Cowboy mit seinem Citroen kam und einparken wollte.

Vor und zurück und vor und zurück über den Zellkoloniebrei und die Rita schrie, fluchte und weinte über die Balkonbrüstung und die Russenoma hob verzweifelt ihre astähnlichen Arme zum Himmel...das alles verpasste ich, weil es nie geschah und überdies dem so schon Unrealen die Show gestohlen hätte.

Manche, sich unwirklich anfühlende, Ereignisse haben durchaus das Potential, dass man sie sich zurückwünscht, weil darüber HINAUS noch etwas weit Schlimmeres lauern könnte.

Provinzielle Science Fiction, zum Beispiel.


(Serie aus "Im Bauch des Müllentsorgungsfahrzeuges", geschrieben März 2017)


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