Montag, 8. März 2021

Ein junger Mull auf der Suche nach Taschentüchern

Weil um mich rum immer mehr Menschen die Maler- und Zeichnerei als neue Freizeitbeschäftigung entdeckt haben und die Supermärkte mit spottbilligen Kreativsets diesem Wirken auch noch Vorschub leisten, begann auch ich eines Tages damit.
Natürlich konnte ich es mir verkneifen Löwen, Tiger, Pferde, Hunde, Katzen und farbenfrohe Haushühner auf Papier zu bringen und erkor stattdessen den bodyshamingbefreiten Nacktmull aus, um die Unterrepräsentanz dieser Tierart auf Porträtzeichnungen aufzuwiegen.
Mulle haben in unserer auf Schönheit getrimmten Gesellschaft keine Lobby, auch im Duden wird der Mull nur als maulwurfähnliches Tier geführt.
Und, he, wer will schon jemandem bloß ähneln?
Welche Frau würde sich gern als ein frauenähnliches Lebewesen bezeichnen lassen?
Wesentlich mehr Beachtung im Nachschlagewerk finden dagegen Verbandsmull, Mullkleid, Mullwindel und Mullbinde, sogar der nachfolgende Begriff Müll bekommt mehr Zuneigung von den Verfassern näherer Erklärungen.
So wie ich denken glücklicherweise auch einige hübsche frauliche und fürsorgende Mütter, die ihre Töchter kosend Mulle rufen, obwohl diese keine Ähnlichkeiten mit Maulwürfen haben und nur selten Gartenschädlinge vertilgen.
Während also die Mutter ihre Mulle nicht ermahnt den Müll rauszubringen, sieht das mit dem halbwüchsigen Sohn schon anders aus.
Jener muss ständig zur Hausarbeit motiviert werden und seine Socken landen meist auch nicht paarweise in der Altkleiderwäsche.
Ersteres ließe sich durch etwas mehr Nachdruck ändern.
Das andere, ich sage mal so, selbst wenn ich mir damit Feinde mache, gute Mutter, suche einfach mal rund ums und unterm Bett, ob er da nicht irgendwo ein paar zu Schuhen erstarrte Socken versteckt.
Ob ich meine letzte gelungene Mullzeichnung „Der Maulwurf“ oder „Ein junger Mull auf der Suche nach Taschentüchern“ nenne, steht indes noch nicht fest.


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