Samstag, 28. Dezember 2019

Lügenkobolde und Bratwürste medientauglich II

Das Strafgericht am Reformationstag.
Auf RTL im Nachmittagsprogramm.
Hurra Feiertag!
Hurra- wir gucken Unterhaltungsfernsehen im Meister Whopper- Format!
Also gucken wäre zu viel gesagt.
Mit dem Rücken zum Gerät blinzelt man in die andere Richtung und lässt sich von eingeschworenen Furien bedröhnen.
Es war eine Bratwurstverkäuferin, eine ökologische Familie und ein Straftatbestand, der sich mit seiner abscheulichen und brutal menschenverachtenden Vorgehensweise der Täterin in mein weichgeklopptes Gehirn bohrte und alte Wunden wieder aufriss.
Ich sag nur: Bahnhof Flöha.

Zum Tathergang: Ökomutti wohnt seit acht Monaten auf einem Bauerngut mit Ökovati und Ökokind.
Nach acht Monaten lecker Hirsebrei, Brennnesselsuppe, selbstgebackenem Maisbrot, Kohlrouladen ohne Rouladen und Mehlwurmsuppe ohne Würmer geht die Ökomutti wegen Schlafstörungen nachts spazieren und kommt im Ort B. an der Imbissbude vorbei.
Dort dringt der Geruch von Altöl und Altbratfett in ihre Nase.
Spontan geht ihr das Getue ihres zu Hause blähenden Herrn mit der Bombenleescherfrisur auf die Nerven, und sie entfernt beherzt die Scheibe der Bude.
Danach haut sie zehn Würstchen in die Pfanne, damit sie was Warmes und Fleischhaltiges in den Bauch bekommt (was Frauen generell mögen, glaube ich) und verzehrt nebenher noch eine Flasche Cola.
Dann taucht die Besitzerin auf, sieht das Malheur und stellt die Mampfende zur Rede, welche wiederum zu Tode erschrocken zum Fleischermesser greift und sie in den Arm sticht. Folge des ganzen Theaters: 600 Euro Kosten für die Scheibe und 25 Euro für verzehrtes Inventar. Ab 26 Euro wäre die Sünderin in den Knast gegangen, so kommt sie mit sieben Monaten auf Bewährung davon.
Natürlich waren das Schauspieler, natürlich ist das alles inszeniert für’s Fernsehen aufbereitet worden.
Solche Dinger gab es aber früher in echt.
Ende der Achtziger war wieder mal beizeiten „Pumpe“ im Flöhaer Blues ’n Rock Tempel „Thälmann Club“ an der Dresdner Strasse.
‚Um Zwölfe nachts und noch so ’nen Durscht!’, sagten sich Pospich und Bruder Pospich und irrten durch die Kreisstadt mit den hochgeklappten Bürgersteigen.
Und wenn man durch Flöha irrte, landet man zwangsläufig am monumentalen Bahnhofsgebäude, wo zwar auch nichts los war, in dem sich aber neben zwei Restaurants (eins komplett nur mit Stehplätzen) auch zwei Kioske befanden.
In einem Kiosk gab es die besten Bowus aller Zeiten, im anderen zwei Tische und fünf Kästen Bier. Die Gebrüder hatten aber keine Lust noch Wasser für die Würste zu kochen, also zog es sie in den Kiosk mit den Bierkästen.
Die Schlüssel hatten sie nicht dabei oder nie gehabt, also musste in dem Fall die große Scheibe (durch die man von der Bahnhofshalle immer schon sehen konnte, wer seinen Arbeitsfrust runterspülte) dran glauben.
Nun könnte man meinen die beiden wären mit paar Flaschen getürmt- aber vielleicht war es gerade das Ambiente der kalten und glatten Sprelacart- Tische, welches sie magisch anzog, oder aber die kleinen Weihnachtskränzchen mit Kerzen auf dem Tisch.
Sie ließen sich nieder, zündeten eine Kerze an und machten zwei Flaschen auf.
Irgendwann in dieser Nacht kam dann noch der Abschnittsbevollmächtigte, nachdem sie wahrscheinlich jemand von der Stasi oder vom KGB entdeckte hatte, wie sie so saßen und tranken. Der ABV konnte nicht verhindern, dass sie vor der Festnahme ihren Tisch abwischten und den Ascher leerten.
Sie wurden gemein zu nützlicher Arbeit verurteilt.


(Verzapft im Oktober 2003)

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