Donnerstag, 19. Dezember 2019

Wäsche

Die volle Vielfalt an Verpackungsmitteln, die in Lengefeld- Rauenstein aufgegeben oder in Empfang genommen wurden, entfaltete sich in der Rubrik Wäsche.
Da stopfte man Koffer, Reisekörbe und Kartons mit Kleidung, Bekleidung, Bekleidungsstücken, Garderobe und Wäsche voll, und wenn das noch nicht reichte und noch Platz war, fügte man ein Paket (!) Kartoffeln hinzu.
Richard B. aus Lengefeld war dieses Ungeheuer, der sich selbst in Bad Doberan multiversorgte.
Garderobe und Kartoffeln- ich fasse es nicht.
Begreifen werden die Jüngeren schwerlich, was in den Köpfen unsereins früher so vorging und warum sich Menschen selbst beschicken.
Kurz erklärt: Urlaubsreisen fanden damals meist mit dem Zug statt und da Familien sich außerstande sahen kiloschwere Kassettenrekorder, Sommermäntel und Klamotten aus derben Stoffen, die zudem jede Menge platz in den Transportgefäßen beanspruchten, herumzuschleppen und von Bahnsteig zu Bahnsteig zu wuchten, sendete man die benötigten Urlaubsutensilien eine Woche vor Reiseantritt per Bahn an den Urlaubsort, wo sie in der Gepäckaufbewahrung fortan auf ihre Kofferöffner warteten.
Ging auch meist gut, zumindest ist mir keine Familie bekannt, die sich vierzehn Tage Erholung an der Ostsee gönnte und nur die auf dem Leib getragenen Klamotten zur Verfügung hatte.
Sehr fürsorglich in meiner Expressgutkartensammlung zeigte sich Gabriele S. aus Lengefeld, die Herrn Heinrich N. mit einer Lieferung Frischwäsche in Prerow überraschte.
Ebenfalls aus Lengefeld kommend, belieferte sich Gottfried B. selbst nach Rangsdorf und ließ sich nicht lumpen, das Angebot der Bahn zu nutzen und seine Stoffe durch eine Zusatzgebühr mit eintausend Mark zu versichern.
Horst Schulz (Ein Name, den man für gewöhnlich nicht unkenntlich machen braucht, so trivial ist er. Ein Name, wo man sich wünscht, dass er sich durch irgendeine besondere Fähigkeit, von mir aus auch Laster, noch einen Zusatz verdient hat, dass man über ihn am Stammtisch reden kann, ohne zu rätseln, um wen es geht. Horst „das Rangiergenie“ Schulz als Kampfname, vielleicht.), also Horst Schulz jedenfalls aus Lengefeld/Vorwerk belieferte sich ebenfalls selbst nach Berlin- Hohenschönhausen mit drei Koffern, die ein stattliches Gewicht von 32 Kilogramm aufwiesen und Hohenschönhausen, naja, wahrscheinlich Uniformen und Lametta und das mit dem Namenszusatz muss ich mir auch noch mal überdenken.
Decknamen und so.
Versöhnlich fahren wir nun mit Dora B. in den Zielbahnhof ein, die einen nur fünf Kilo leichten Karton Kleidung in Leipzig empfing, während Kalle S. einen Koffer Wäsche zu Händen von Waltraud M. nach Taura schippern ließ.
Wie viele Kartoffeln kann man eigentlich ungenervt am Mann tragen, wenn man eine Zugreise übernimmt? 
Bei Sitzplatz und Fernreise sind für gewöhnlich die Arschtaschen schon mal blockiert. 
Ich habe es bisher genauso wenig probiert wie das Aufbrauchen der gesamten Gratishandgepäcklast mit Kartoffeln im Flugzeug.

(aus dem Zyklus „AN und AB in Lengefeld/Rauenstein- Expressgutvorkommnisse“, niedergeschrieben 2018)

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